Gilbert Grape

Thema:

Ein noch junger Johnny Depp, eine wunderbare Juliette Lewis und Leonardo DiCaprio, der hier seine Karriere nicht erfüllter Oskar-Nominierungen beginnt. What could possibly go wrong?

Ja nichts! Gilbert Grape ist ein wunderbarer Film: wirklich lustig, unsagbar traurig und spannend… nein, besonders spannend ist er nicht.

Der postaduleszente Gilbert Grape lebt in dem kleinen Dorf „Endora“ und arbeitet beim örtlichen Lebensmittelhändler als Laufbursche und Kartonzerreißer. Freizeit hat er keine, denn sein Leben ist vor allem seiner Familie gewidmet. Oder dem, was noch davon übrig ist, seit sein Vater sich im Keller erhängte. Das sind seine beide Schwestern, seine Mutter, die seit sieben Jahren das Haus nicht verlassen hat und so adipös ist, dass sie kaum noch laufen kann und sein geistig zurück gebliebener Bruder Arnie (Leonardo DiCaprio). Um den Letzteren kümmert sich Gilbert aufopferungsvoll. Nebenher betreibt er noch eine Liebesaffäre mit der älteren und vor allem verheirateten Betty Carver (Mary Steenburgen).

Gilbert lebt so vor sich hin und scheint kaum wahr zu nehmen, wie er sein eigenes Leben der Familie opfert, als Becky (Juliette Lewis) in die Stadt kommt und es zwischen den beiden augenscheinlich direkt funkt. Das reicht schon, um Gilberts Lebensgebäude und damit das seiner ganzen Familie buchstäblich in Flammen aufgehen zu lassen…

Johnny Depp, als ich ihn noch mochte. Er spielt den stoischen Gilbert wirklich hervorragend, einen Menschen, der in eine Aufgabe gedrängt wurde und diese zu 120% erfüllt, 25 Stunden am Tag, acht Tage die Woche. Und dabei kaum merkt, wie das Leben vorbei zieht. Nur manchmal eine hochgezogene Augenbraue, ein fragender Gesichtsausdruck ein kurzes Zucken weg von der Richtung in der sein Bruder gerade die nächste Katastrophe verursacht. Nur Leonardo DiCaprio ist vielleicht noch besser in diesem Film, für seine Darstellung des extrem lernschwachen Arnie, der mit 18 ungefähr auf dem Stand eines vielleicht Fünfjährigen ist. Arnie ist laut, anstrengend und herausfordernd, zügel- und unwissend rücksichtslos, aber die Darstellung wird nie albern oder unecht, soweit ich das beurteilen kann. Arnie ist keine Witzfigur, was eine wichtige Leistung nicht nur für diesen Film ist. Juliette Lewis spielt hier zum ersten Mal die Revolution in Menschform, jemand die einfach auftaucht und schon brennt die Welt. Als nächstes kam dann „Natural Born Killers“ und irgendwie ergibt das Sinn.

Was mich am meisten schockiert in diesem Film ist die völlige Abwesenheit von professioneller Hilfe. Keine Ärzte oder gar Psychologen/-therapeuten, kein Sozialdienst, niemand kümmert sich um Arnie oder die Familie, die den Suizid des Vaters nicht verarbeiten kann. Alle helfen sich selbst und auch gegenseitig, aber das macht die Katastrophe eigentlich nur noch schlimmer. Die kleinstädtische Gemeinschaft zerreißt sich eher das Maul und begafft das Leid. Es ist ziemlich eklig, dort „irgendwo in Iowa“.

Von Regisseur Lasse Halström war bis zu diesem Film eigentlich nur zu sagen, dass er alle Abba-Videos und „Wir Kinder aus Bullerbü“ (fiktives Dorf in Schweden, nicht die Großstadt in Deutschland) gedreht hatte. Es folgten dann aber noch ein paar sehr sehenswerte Streifen, beispielsweise „Gottes Werk & Teufels Beitrag“ oder „Lachsfischen im Jemen“ und ein paar ganz fürchterliche Filme, wie „Hachiko“ oder „Casanova“.

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